Die 2002 erschienene Kulturdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) "Räume der Begegnung. Religion und Kultur in evangelischer Perspektive" fordert zu Recht in ihren Ausführungen über die "Begegnung mit den Künsten als Chance" ein "besonderes Interesse an der Auseinandersetzung mit den modernen Künsten", denn: "ein Glaube, der selbstsicher in der Moderne beheimatet sein will, ist auf eine komplexe Gestalt angewiesen, welche er in der populären Ästhetik allein nicht finden kann". [EKD-Denkschrift: Räume der Begegnung. Religion und Kultur in evangelischer Perspektive, Gütersloh 2002, S. 46.]

Aber nicht nur die Zuwendung zu den ästhetischen Avantgarden des 20. und 21. Jahrhunderts bedarf der Pflege, auch die Kenntnis jener Entwicklung, die von den Anfängen der Menschheit bis in die künstlerischen Programme der Gegenwart führt. Denn nur vor der Folie der Geschichte der künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Welt wird vieles von dem einsichtig, was Künstler heute beschäftigt.

Ich habe deshalb ein einfaches dreidimensional anmutendes Museum entwickelt, das in einer geradezu hegelisch anmutenden Flucht von Räumen die Kunstgeschichte der Menschheit exemplarisch vor Augen führt. Inwiefern "hegelisch"? Nun, der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hatte zu seiner Zeit nicht nur das Ende der christlichen Kunst verkündet [Georg W. Fr. Hegel: Ästhetik. 2 Bände. Berlin 4/1985. Band 1, S. 110: Mögen wir die griechischen Götterbilder noch so vortrefflich finden und Gottvater, Christus, Maria noch so würdig und vollendet dargestellt sehen: es hilft nichts, unser Knie beugen wir doch nicht mehr.], sondern auch die Geschichte der Kunst bis in seine Zeit in Gedanken geordnet:

"Hegel dachte, über seiner Zeit wölbe sich die Abendröte. Der Mensch war mit seiner Geschichte alt geworden und konnte jetzt auf ein langes Tagwerk zurückblicken. In der Dämmerung lagen vor ihm, ausgebreitet in die Ferne von Jahrtausenden, eine vollständige Sammlung der Weltkunst. Jedes Werk stellte eine versteinerte Form des Bewusstseins dar, welches die Menschheit zurückgelassen hatte auf ihrer langen Wanderung zu sich selbst. ...

Wie die Eule erst bei einbrechender Dämmerung ihren Flug beginnt, so schwangen sich Hegels Gedanken vor der aufziehenden Nacht über die Dächer von Dorotheenstadt. ...

Was den Gang der Geschichte nur blind und drängend vorangetrieben hatte, sollte als umfassende Rückschau im Wissen aufbewahrt werden. Unter den kräftigen Flügelschlägen von Minervas Wappentier zogen in der Tiefe die Kulturlandschaften vorbei: das Abendland, die Antike, der Orient. Der Flug führte nach Osten, denn dahin wiesen die Spuren der Wanderung. Wo das Licht aufging, hatte auch die Menschheit ihren Anfang genommen. Dem Lauf der Sonne war sie schließlich gefolgt nach Westen: Den Gang von Morgen nach Abend nannte Hölderlin die Reise des Weltgeistes durch die Geschichte. Diesen Gang durchschritt Hegel denkend noch einmal von Anbeginn, um sich das Vergangene selber in allen Stufen gegenwärtig zu machen.

Den Prozess der Rückerinnerung hielt er fest in den Vorlesungen über Ästhetik und Geschichte: Das philosophische System, das er darin entwarf, bildete gleichsam das imaginäre Museum des Weltgeistes. In Gedanken gefasst barg es die bedeutendsten Kunstwerke aller Zeiten. Ihre Aufstellung erfolgte nach chronologischen Gesichtspunkten. Während der Betrachter den historischen Reigen verfolgte, erkannte er im allmählichen Wechsel der Kunstform das einwohnende Gesetz: den Fortschritt des Geistes im Bewusstsein der Freiheit'."

So die immer noch einzigartige Beschreibung von Beat Wyss in seinem Buch: Trauer der Vollendung. Von der Ästhetik des Deutschen Idealismus zur Kulturkritik an der Moderne, München 1985, S. 14f.

Anders als die Konstruktion Hegels, der von den Aufsehen erregenden Funden in den Höhlen von Altamira und Lascaux noch nichts wissen konnte, beginnt das Museum mit der Vorgeschichte der Menschheit, den Hervorbringungen der Steinzeitkultur in Europa, genauer in Frankreich und Spanien. Obwohl sich schon hier Kunst und Religion begegnen und sich genau an dieser Schnittstelle der Mensch als Mensch entwickelt, findet man die Steinzeit selten im Fokus des Religionsunterrichts. Im nächsten Raum werden die frühen Hochkulturen vorgestellt, dann die griechische und die römische Kunst. Natürlich geht es dabei nicht um eine umfassende Einführung in die jeweilige Zeit mit ihren Werken (das ist die Aufgabe des Kunstunterrichts und muss von ihm geleistet werden), sondern um ein Gefühl für die ästhetisch-künstlerischen Gestaltfindungen der jeweiligen Zeit.

Dieses Museum ist ursprünglich einmal im Kontext meiner Zusammenarbeit mit dem rpi-virtuell entstanden. Da ich mir aber zwischenzeitlich nicht mehr sicher war, ob man heute tatsächlich noch die Ars Sacra und ein der Autonomie der Künste verpflichtetes Museum unter einem Dach zusammenbringen kann, haben sich die Wege getrennt. Die Ars Sacra wird im rpi-virtuell weiter entwickelt, das Museum mit den Werken der autonomen Künste und ihrer Vorläufer hier an dieser Stelle.

Die Zusammenstellung der Kunstwerke spiegelt die subjektive Haltung des "Museumsdirektors" Andreas Mertin. Ich verantworte den Aufbau des Museums und die Auswahl der Werke. Im Vordergrund soll nicht die christliche Ikonographie an sich stehen, sondern die Entwicklung der europäischen Kunstgeschichte. Die Auswahl der Werke erfolgt aufgrund ihrer Qualität und ihrer Bedeutung im Rahmen der Kunst.

Es ist geplant, dieses Museum nach und nach zu erweitern und als Einführung in die wichtigsten Werke und das Werk der wichtigsten Künstler auszugestalten.

Wenn Sie Anregungen und Impulse haben, mailen Sie mir oder rufen Sie mich an. Die entsprechenden Angaben finden Sie auf der nebenstehenden Grafik.

Andreas Mertin 




P.S.:

Das religionspädagogische Institut rpi-virtuell legt Wert auf den Hinweis, das der Bildviewer von ihm entwickelt wurde und die Vorlage des Raumdesigns ebenfalls von rpi-virtuell stammt.